Rückblick

IHC Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit Dr. Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD


Dr. Norbert Walter-Borjans, Bundesvorsitzender der SPD

„Wohlstand und Anstand dürfen keine Gegensätze sein“

„Den Erfolg in der Nachhaltigkeit suchen und die Transformation als Chance sehen – das sind wichtige Schritte auf den Weg zu einem gesicherten Wirtschaftsstandort Deutschland“. So skizzierte Dr. Norbert Walter-Borjans, Co-Bundesvorsitzender der SPD, seine Gedanken zur Wirtschaftspolitik. Im Vorfeld der nahenden Bundestagswahl war der Politiker Gastredner einer digitalen Diskussionsveranstaltung des Industrie- und Handelsclubs OWL.

„Ein Amt ist für mich kein Antrieb, aktiv zu sein“, betonte Dr. Norbert Walter-Borjans vor rund 50 zugeschalteten Mitgliedern. Ein Ministeramt strebe er darum bei einer Beteiligung der SPD an der Regierung auch nicht an, so Walter-Borjans. Sein Antrieb wurzele vielmehr in den Worten aus Johannes Raus Regierungserklärung 1985, der eine ökologische und ökonomische Erneuerung Nordrhein-Westfalen in sozialer Verantwortung forderte. Wirtschaftlicher Wohlstand auf der Basis von fairen Umwelt-und Klimabedingungen und Sozialverträglichkeit sei auch heute noch sein wirtschaftspolitisches Ziel.

Die Anforderungen durch das Klimaschutzgesetz und europäische Rahmenbedingungen, den Co2-Ausstoss bis zur Klimaneutralität 2045 zu senken, seien riesig für ein Land, das industriell geprägt ist. Um weltweit mithalten zu können, sei eine permanente Anpassungsfähigkeit von den Unternehmen gefordert, um dem Wandel nicht nur zuzuschauen und sondern auch in neue Produkte umzusetzen: Den Klimaschutz durch Technologien ermöglichen und gleichzeitig daran etwas verdienen, sei das Gebot der Stunde, so der SPD-Politiker.

Aus seiner Zeit als Finanzminister Nordrhein-Westfalens im Kabinett von Hannelore Kraft von 2010-2017 kenne er Ostwestfalen und viele der hier ansässigen Unternehmen gut, so Dr. Walter-Borjans. Viele Veränderungen fingen im Regionalen an. Das bewiesen Branchen in OWL, die anderswo unter die Räder gekommen seien, hier aber florierten. Als Beispiele nannte wie die Möbel- oder Textilindustrie, die gezeigt hätten, wie man heute durch Innovation und Technologie überleben könne.

Als Bremse für die wirtschaftliche Entwicklung bezeichnete der Volkswirt Walter-Borjans den „enormen Investitionsbedarf“ der öffentlichen Hand. Die kommunale Infrastruktur biete nicht überall die gleichen Möglichkeiten. Manche Regionen zwängen Gründer praktisch dazu, ihre Geschäftsidee andernorts zu verwirklichen, weil es zum Beispiel vor Ort kein schnelles Internet gebe. So entstünden überalterte „Entleerungsregionen“ und, im Gegenzug, Regionen mit „Überdruck“, sprich hohen Mieten und überlasteten Verkehrswegen.

In der anschließenden Diskussion, mit Moderatorin und IHC-Präsidiumsmitglied Laura von Schubert, führte das Thema auf das neue Lieferkettengesetz, das menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen festlegt, dies könne Standortnachteile für deutsche Unternehmen darstellen. „Wohlstand und Anstand dürfen keine Gegensätze sein“, entgegnete der Sozialdemokrat. Wenn Wohlstandssicherung nur funktioniere, indem man die Lasten ins Ausland verlagere, dann sei etwas nicht in Ordnung und der Staat müsse einschreiten. Dies sollte global geschehen, aber „es muss auch immer einer vorangehen“. Allerdings dürfe die eigene Wirtschaft dabei nicht stranguliert werden.

Weitere Fragen betrafen die Schulden- und Steuerpolitik: „Wir sind durch die Coronamaßnahmen nicht überschuldet“, meinte der Finanzexperte. Die Schuldenrate sei in der Finanzkrise höher gewesen und die aufgenommenen Kredite seien unter den aktuellen Rahmenbedingungen schulterbar. Zum Thema „Unternehmenssteuern“ erklärte Dr. Walter-Borjans, die SPD wolle keine pauschale Senkung, die dem Staat Mittel entziehe, sondern plane diese so zu reformieren, dass dem „Urgedanken der Progression“ wieder Rechnung getragen werde. Viele Länder sähen mittlerweile auch den Nutzen einer weltweiten, gemeinsamen Mindestbesteuerung, die keine Schlupflöcher mehr biete.

Donnerstag, 27. Mai 2021 18:00 Uhr
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Dr. Norbert Walter-Borjans, Parteivorsitzender der SPD