Rückblick

Vortragsveranstaltung mit Botschafter Dr. Christoph Heusgen, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz


Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Christoph Heusgen zu Gast beim IHC. (v.l. Christoph Mohn, Laura von Schubert, Michael Rolf,  Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz Dr. Christoph Heusgen, Gastgeber Willi Ernst, IHC Geschäftsführerin Cornelia Moss)

„Mehr Anstrengungen bei der Hilfe für die Ukraine“

Christoph Heusgen kennt die Mächtigen der Welt allesamt persönlich. Die Mitglieder und Gäste des Industrie- und Handelsclubs OWL konnten bei der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung bei der Vermögensverwaltung Werther und Ernst demnach Informationen aus erster Hand erwarten – und bekamen diese auch.

In seinem Vortrag gab Heusgen, der seit 2022 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz ist, eine fundierte Einschätzung der weltpolitischen Lage. Der promovierte Ökonom und Diplomat war ab 2005 außen- und sicherheitspolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen.

In seinem Statement warnte Heusgen eindringlich auch vor einer „War-Fatigue“, einer „Kriegs- und Mitgefühlsmüdigkeit“. Er forderte mehr Anstrengungen des Westens, auch in Form von Waffenlieferungen für die Ukraine, bei der Abwehr des russischen Angriffs. Jede Zurückhaltung spiele Russland in die Hände: „Putin rechnet damit, dass der Wille zu helfen nachlässt“. Dabei müsse der Westen seine Anstrengungen, der Ukraine zum Sieg zu verhelfen, noch verstärken. Seiner Ansicht nach gebe es zwei Alternativen. Entweder siege die Ukraine militärisch im Konflikt mit Russland oder es beginne ein Wettrüsten wie zu Zeiten des Kalten Krieges, dass Russland wirtschaftlich „an den Rand“ und letztlich zum Aufgeben bringe.

Dabei komme es vor allem auf Deutschland an. „Die Bundesregierung muss in Abstimmung mit Frankreich die Führung in Europa übernehmen. „Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands bringt diese Verantwortung mit sich“, argumentierte Heusgen. „Noch leben wir transatlantisch in einer paradiesischen Zeit“. Doch auf amerikanische Unterstützung könne man vor allem bei einem erneuten Wahlsieg Donald Trumps 2024 langfristig nicht mehr zählen. Darum müsse Europa auf seine eigenen Stärken bauen und für seine Sicherheit sorgen. Das bedeute auch höhere Ausgaben für die Verteidigung.

Zunehmend wird die Welt nicht nur von den USA, sondern auch von einem erstarkten China dominiert. Beide globalen Mächte liefern sich einen Systemwettbewerb, bei dem sich Deutschland und die EU positionieren müssen, um wirtschaftlich nicht ins Hintertreffen zu geraten. Für Deutschland wie für Europa gelte es hier, die wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu reduzieren, so Heusgen. Statt eines Decouplings (Abschottung) von China plädiere er allerdings für ein „De-Risking“ (Abbau von Risiken, die aus zu großen Abhängigkeiten entstehen).

Trotz der weltpolitisch ernsten Lage beendete Heusgen seinen Vortrag versöhnlich. „Es gibt keinen Grund zu verzweifeln“, erklärte Heusgen abschließend. „Unsere Demokratie ist gut aufgestellt, allerdings dürfen wir nicht in Selbstzufriedenheit verfallen“.

In der anschließenden Diskussionsrunde, wie die gesamte Veranstaltung moderiert von Präsidiumsmitglied Laura von Schubert, beantwortete der Polit-Profi zahlreiche Fragen aus dem Publikum, unter anderem auch zur Gas-Pipeline Nordstream 2. Hier räumte Heusgen Fehler in der Russlandpolitik während seiner Amtszeit als außenpolitischer Berater ein. „Das Signal war falsch, es war im Nachhinein ein Fehler“.

Freitag, 21. April 2023 18:30 Uhr