Neue Westfälische

Eine Brücke zu den Unternehmern

24. September 2019

Grünen-Chef Robert Habeck beim Unternehmertag in Bielefeld. - © Dennis Angenendt

Staatstragend: Robert Habeck ist der erste Grüne, der in 38 Jahren Unternehmertag ans Podium darf. Warum er mit seinen Thesen zur Klimapolitik und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung so gut ankommt

Bielefeld. Kaum zu glauben: Da steht nach 38 Jahren Unternehmertag in OWL zum ersten Mal ein Grüner am Rednerpult – und bekommt Applaus. Nicht den wohlerzogenen, pflichtschuldigen. Sondern den langanhaltenden, kräftigen Beifall am Ende und auch immer wieder zwischendurch.

Aber Robert Habeck macht es den 1.400 Zuhörerinnen und Zuhörern auch leicht. „Ich will eine Brücke in Ihre Welt schlagen“, kündigt er an. Und er tut das, ohne sich selbst dabei zu verbiegen.

„Wirtschaft ist ein integraler Bestandteil von gesellschaftlichen Prozessen“, wirbt Habeck. Investitionen fordert er ein, hier hinke Deutschland im Vergleich zu anderen gefährlich hinterher. „Wenn wir den Mut zum Risiko nicht aufbringen, werden wir die Zukunft nicht gewinnen“, mahnt der Grünen-Chef.

„Wir brauchen Mut für die Gegenwart“

Die öffentliche Hand müsse, was Investitionen angehe, mit gutem Beispiel vorangehen. Derzeit sei die Bundesrepublik in Sachen Investitionen wieder auf dem Level von 2002 angekommen. Deshalb dürfe man die Diskussion um die schwarze Null nicht buchhalterisch führen, sondern politisch. Die Schuldenbremse habe nach der Finanzkrise ihre Funktion gehabt, um vom hohen Schuldenberg herunterzukommen. „Um die Handlungsfähigkeit wiederherzustellen. Aber jetzt ist die Handlungsfähigkeit wiederhergestellt. Und jetzt müssen wir handeln“, fordert Habeck.

Völlig falsch sei es, die Dinge immer wieder aufzuschieben. Eine Investitionsoffensive sei jetzt überfällig, sagte der Grünen-Politiker. Je schneller diese komme, desto besser sei das für den Klimaschutz und auch für die Unternehmen. „Wir brauchen Mut für die Gegenwart.“

Es reiche eben nicht, wenn man sich im Jahr 2028 Gedanken darüber mache, wie die Klimaziele von 2030 zu erreichen seien. „Wir müssen in der Gegenwart deutlich besser werden“, fordert Habeck. „Und danach ist es fast schon egal, ob das letzte Kraftwerk ein Jahr früher oder später abgeschaltet wird.“

Die Menschen lebten derzeit „letztlich im besten Deutschland, das es je gegeben hat“. Deshalb gelte es jetzt, einen Wohlstandskonsens für die neue Zeit zu entwickeln. Dabei, sagt Habeck, komme dem Euro eine entscheidende Rolle zu. Der Euro sei der Hebel, um Weltpolitik zu machen, ganz besonders, da die Indikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung derzeit nach unten wiesen.

Die globale Wirtschaft sei in Unordnung. Für viele Jahre habe das Prinzip gegolten: Die Welt produziert, Amerika kauft. Das sei heute nicht mehr gültig. Und es sei auch keine vorübergehende Erscheinung, sondern der Beginn einer neuen Wirtschaftsordnung. Auch wenn es Deutschland noch gut gehe: „Das letzte, was wir jetzt brauchen, ist Bequemlichkeit.“ Wenn Europa nicht gerüstet sei, „dann ist die europäische Wertegemeinschaft gefährdet“.

Allerdings sei all das ohne den Blick aufs Klima zum Scheitern verurteilt, mahnt er seine Zuhörer und räumt ein, dass der Klimawahlkampf der Vergangenheit mit dem Eisbär auf dem Wahlplakat leicht am Ziel vorbei ging.

„Es geht nicht um Pinguine und Eisbären“

Denn eine Welt ohne Eisbären sei zwar nicht schön, sagt Habeck, aber sie sei immerhin noch vorstellbar. „Aber es geht gar nicht um Eisbären und Pinguine. Es geht um viel mehr.“ Nämlich um die Frage, ob die Gesellschaft in der Lage ist, sich anzupassen. „Und zwar unter den Regeln der Demokratie. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, dann verteidigen wir damit die freiheitlich demokratische Grundordnung.“

Ob Robert Habeck an diesem Abend Stimmen für die nächste Wahl gewonnen hat? Vielleicht nicht. Ob sich die Zuhörer Habeck und seine Grünen nach diesem Abend als (mit-)bestimmende politische Kraft vorstellen können? Vermutlich schon. Der Beifall spricht für sich.