Neue Westfälische

Krise verändert die Arbeitswelt

21. Mai 2020

Michael W. Böllhoff, Andreas Hettich und Eduard R. Dörrenberg berichten von ihren Erfahrungen über den Umgang mit Krisen in Familienunternehmen.

Wie ostwestfälische Familienunternehmer die Pandemie erleben und managen. IHC-Präsident Dörrenberg sieht die Zeit als Beschleuniger von „nötigen Entwicklungen“.

Bielefeld. Krisen bergen auch Chancen für Neuerungen. Den ersten Unternehmertalk als Livestream veranstaltete jetzt der Industrie- und Handelsclub (IHC) Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld. Drei Unternehmer – IHC-Präsident Eduard R. Dörrenberg (Dr. Wolff), Andreas Hettich, Beiratsvorsitzender der Hettich-Gruppe in Kirchlengern, und Michael W. Böllhoff (Bielefeld) – äußerten sich sehr offen zu Krisenmanagement in Familienunternehmen, wie ein Zuschauer am Ende im Chat lobend bemerkte.

„Die Corona-Krise hat uns mit Wucht erwischt“, räumte Hettich gleich anfangs ein. Er durchlebe ein Wechselbad der Gefühle. Allerdings stehe derzeit die Risikominimierung im Vordergrund und weniger die Chancen. Dabei gehe es vor allem um Liquidität. Der Möbelzulieferer Hettich mit gut eine Milliarde Umsatz und weltweit 6.700 Mitarbeitern einer der großen internationalen Branchenriesen ist abhängig von Geschäften im Möbelhandel. „Wie überleben Sie ohne Umsatz“, fragte Hettich in Anspielung an Indien, den nach Deutschland zweitwichtigsten Markt für das traditionsreiche Familienunternehmen. Seit sieben Wochen mache der Hersteller von Möbelbeschlägen in Indien aufgrund des staatlich verordneten Lockdown null Umsatz. Die massive Kurzarbeit helfe, die Kostenlast zu senken. Zudem würden alle unnötigen Kosten runtergefahren und ein konsequentes Forderungsmanagement betrieben. Zudem habe Hettich vor der Krise solide gewirtschaftet. „Wir glauben an eine Zeit nach Corona und wollen erfahrene Mitarbeiter halten.“ Er betonte: „Manager an der Führungsspitze haben keinen Zeitvertrag. Entweder wollen wir sie haben oder nicht.“

Die Böllhoff-Gruppe, Spezialist für Verbindungs- und Montagetechnik, habe in gut 140 Jahren viele Krisen miterlebt. „Das gibt einen Halt und Glauben an die Zukunft“, sagte Böllhoff, während sein Vater den Talk zu Hause lächelnd am Bildschirm verfolgte. Das Familienunternehmen setze auf Digitalisierung gekoppelt mit Innovationen und probiere in der Krise „noch mehr Geschäftsmodelle aus“. Die Bielefelder Dr.-Wolff-Gruppe ist laut Dörrenberg weniger stark betroffen.Arzneimittel seien systemrelevante Produkte. „Wir mussten ja weiter produzieren.“Zudem habe das Unternehmen ein Desinfektionsmittel entwickelt. Dörrenberg sieht die Krise als Beschleuniger von „nötigen Entwicklungen“. „Das Home-Office wollen wir jetzt weiter ausbauen.“ Er habe nie in den vergangenen 22 Jahren jedes zweite Mittagessen im Home-Office eingenommen. Hettich sieht künftig neue Arbeitszeitmodelle: „Vormittags im Büro und nachmittags zu Hause.“ Im Prinzip sind sich alle drei Familienunternehmer einig: Sie sind Verfechter der Globalisierung und befürworten die bisherigen staatlichen Hilfen. Die Moderatorin Christina Hoon, Inhaberin des Stiftungslehrstuhls Führung von Familienunternehmen an der Universität Bielefeld, kritisierte am Ende, dass die Frauen tendenziell wieder die Verlierer seien, weil sie den Männern den Rücken freihielten und sich um die Versorgung der Kinder kümmerten und damit wieder dem alten Rollenbild entsprächen.