Rückblick

IHC LiveTalk "Einzelhandel in der Corona-Krise: Eine Bestandsaufnahme und ein Blick nach vorn"


„Der Einzelhandel in der Corona-Krise: Eine Bestandsaufnahme und ein Blick nach vorn“ diskutierten am 18.06.2020 Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland – HDE – e.V., Regierungspräsidentin Judith Pirscher, Bezirksregierung Detmold und Oliver Hüsken, Inhaber Modehaus Hüsken – die Moderation übernahm IHC Präsident Eduard R. Dörrenberg.

«Die Coronakrise wird das Bild der Innenstädte verändern»

Mundschutzpflicht, Einlasskontrollen, Abstandsgebote – in Deutschlands Geschäften, der Gastronomie, Kinos, Theatern oder Museen ist nichts mehr, wie es vor dem Ausbruch von Corona war. Trotz Umsatzeinbrüchen von historischen Ausmaßen ist Einzelhändler Oliver Hüsken optimistisch: „Ich bin für Bielefeld zuversichtlich. Denn durch die Krise können drei wichtige Dinge korrigiert werden: die Uniformität der Fußgängerzonen, die zu hohen Mieten und die vielen Pendler.“

Auf Einladung des Industrie- und Handelsclubs OWL, diskutierte der Inhaber des Modehauses Hüsken gemeinsam mit Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Deutschland, und Regierungspräsidentin Judith Pirscher. Moderiert wurde das digitale Podiumsgespräch zum Thema „Der Einzelhandel in der Corona-Krise: Eine Bestandsaufnahme und ein Blick nach vorn“ von IHC-Präsident Eduard R. Dörrenberg.

Corona stoppte im Einzelhandel eine seit rund zehn Jahren laufende, positive Entwicklung, berichtete Stefan Genth. 200 000 Geschäfte waren wochenlang im Lockdown, die Lebensmittelgeschäfte nur unter großen Auflagen geöffnet. Nun, nach den ersten Lockerungen, befänden sich die Verbraucher aber weiter im Krisenmodus, so Genth. Zwar gehe es seit Juni langsam wieder aufwärts, doch werde angesichts der unsicheren Lage weniger konsumiert. 2020 werde der Non-Food-Handel schätzungsweise 40 Milliarden Euro Umsatz einbüßen. Um den Handel zu unterstützen wünscht Genth sich vor allem Konsumimpulse. Von der vom Bund beschlossenen sechsmonatigen Mehrwertsteuersenkung verspricht sich der Handelsexperte wenig. „Sie wird nicht viel am Konsum ändern, zumindest nicht bei kleineren und mittleren Ausgaben.“ Für die Händler bedeute die Umstellung zudem einen riesigen bürokratischen und finanziellen Aufwand in Höhe von rund 20 Milliarden Euro.

„Wir stehen vor gewaltigen Umbrüchen in den Innenstädten“, prophezeit Oliver Hüsken. Die kostenintensiven Erdgeschosse seien in der heutigen Dichte nicht mehr zu halten. Die leistungsfähigen Ketten, die die hohen Mieten zahlen konnten, aber auch für Langweile und Uniformität in den Innenstädten verantwortlich waren, würden sich zurückziehen. Die heute oft als Büros genutzten Obergeschosse der Geschäftshäuser sind durch Homeoffice weniger ausgelastet. Die Folgen: Es halten sich weniger Menschen in den Innenstädten auf und der Gesamtkonsum verringert sich. „Die Mieten werden fallen müssen“, so Hüsken.
Doch keine Krise ohne Chance: Neue Konzepte könnten in den Stadtzentren Gastronomie, Kultur, Verkauf, Büros und mehr bezahlbare Wohnungen verbinden, mit den entsprechenden Klimavorteilen durch weniger Pendler. „Dieser Prozess muss von den Städten aktiv gestaltet werden, bevor eine nicht mehr umkehrbarere Verödung der Innenstädte droht“, sagt Hüsken. Stadtfeste könnten beispielsweise verjüngt und den Corona-Bedingungen angepasst werden, um wieder Leben in die Innenstädte zu bringen. Um das Umsatzminus von 30 Prozent, dass dem Textileinzelhandel am Ende dieses Jahres droht, nicht noch zu vergrößern, fordert Hüsken von der Politik die Freigabe der Ladenöffnungszeiten und verkaufsoffene Sonn- und Feiertage: „Im Jahr 2020 muss es möglich sein, dass ein Einzelhändler sein Eigentum öffnet, wann immer er möchte.“. Online geshoppt werde montags bis freitags im Büro. Der Einkaufsbummel am Wochenende sei ein geschätztes Liveevent „wie ein gutes Konzert“. „Bielefeld als Oberzentrum wird von der aktuellen Gesamtentwicklung profitieren und immer beliebter werden, so dass selbst niederländische Besucher gerne am Sonntag über die A33 in die Stadt kommen, um in Restaurants und Geschäften zu genießen», ist Hüsken überzeugt.

Angesichts zunehmender Lockerungen und Reisen appellierte Regierungspräsidentin Judith Pirscher an die Verantwortung jedes Einzelnen: „Wir haben die Pandemie bisher vergleichsweise gut in den Griff bekommen“. Nun gelte es, die Balance zwischen Freiheit und Verantwortung zu halten. „Wir müssen alles vermeiden, um wieder schließen zu müssen. Das hilft dem Einzelhandel am allermeisten.“

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Donnerstag, 18. Juni 2020 18:00 Uhr
Eduard R. Dörrenberg, Stefan Genth, Oliver Hüsken, Judith Pirscher