Rückblick

IHC Vortrags- und Diskussionsveranstaltung, Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, Wiesbaden


IHC Präsidiumsmitglied Dr. Harald Schlüter (r.), IHC Geschäftsführerin Susanne Schaefer-Dieterle und Gastgeber Norbert Rotter (l.), Vorstandsvorsitzender der itelligence AG, begrüßen den Referenten Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes

„Wir brauchen eine digitale Revolution in der Polizei“

Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, über aktuelle Herausforderungen für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland.

Die Zeiten von Erpresserbriefen, die aus Zeitungsschnipseln zusammengeklebt wurden und der Spurensuche mit der Lupe sind längst vorbei. Das Internet hat nicht nur die Kommunikation, die Arbeitswelt und unseren Alltag, sondern auch die Kriminalität verändert.

Soziale Medien werden von Terrororganisationen genutzt, um sich zu vernetzen und ihre Propaganda zu verbreiten. Pädophile treffen sich in digitalen Foren, um Kinderpornografie auszutauschen. Durch „Phishing“ werden Bankdaten abgegriffen und Konten leergeräumt. Waffen und Drogen werden im Darknet gehandelt, Ländergrenzen spielen dabei keine Rolle.

„Die Digitalisierung und Globalisierung stellt uns als Polizei vor die gleichen Herausforderungen, die Sie in Ihren Unternehmen bewältigen müssen“, erklärt Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts den Mitgliedern und zahlreichen Gästen des Industrie- und Handelsclubs Ostwestfalen-Lippe. „Nur, dass wir es mit der dunklen Seite der Medaille zu tun haben.“ Die Kriminalität habe sich in den letzten Jahrzehnten rasant gewandelt. Während seiner Ausbildung, erinnert sich Münch, galt die Sicherung von Schuhabdrücken im Schnee als „besondere Schwierigkeit“. Heute hinterlassen die Täter weniger physische als Massen von digitalen Spuren, die es zu sichern und auszuwerten gilt: „Die Kriminalität wird immer internationaler, vernetzter und digitaler“.

Angesichts internationaler Terrorismusnetzwerke und grenzüberschreitender Kriminalität reiche eine bloße Weiterentwicklung bisheriger Methoden nicht aus. Die Polizei müsse neue Wege beschreiten und die Stärken des Föderalismus mit den Vorteilen einer zentralen Organisation kombinieren. Dies gelte besonders für die Technik. „Wir brauchen eine digitale Revolution in der Polizei“, fordert Münch. So sei eine bundesweit einheitliche Informationstechnik statt 16 unterschiedlicher Systeme und Plattformen in den Bundesländern dringend erforderlich.

Die Polizei ist in Deutschland in erster Linie Ländersache, daneben betreibt der Bund eigene Behörden wie das BKA und die Bundespolizei. Unterschiedliche Polizeigesetze und Befugnisse der Ermittler, zum Beispiel beim Abhören von Telefonaten, machen den Ermittlungsalltag damit unnötig schwer und sorgen für Pannen. Ebenso die vielen Datentöpfe, deren Inhalte umständlich zusammengeführt werden müssen. Auch europaweit und international wird die Zusammenarbeit der Polizeibehörden immer wichtiger. 80 Prozent der Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität haben Bezüge ins Ausland, erläutert Münch.

Neben der Terrorismusabwehr, welche die Ermittler weiterhin beschäftigt, steht die Cyberkriminalität im Fokus der obersten Polizeibehörde. Gerade Wirtschaftsunternehmen sind hierdurch gefährdet. Schadsoftware zur Ausspähung, Hacker- und Störangriffe auf Server oder digitale Erpressung verursachen große finanzielle Schäden: „Nutzen Sie hier unsere Kompetenz“, so Münchs Rat an die zahlreichen anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer. „Wenden Sie sich in diesen Fällen gleich an die Polizei“. In speziellen Abteilungen bündelt das BKA das Wissen von IT-Fachleuten und Ermittlern zu schlagkräftigen Einheiten und gibt auch präventive Hinweise.

Was die allgemeine Verbrechensrate in Deutschland angeht, überbrachte der BKA-Präsident dennoch beruhigende Nachrichten: „Wir haben die geringste Kriminalitätsbelastung seit 30 Jahren.“ Dies stehe allerdings im krassen Gegensatz zur gefühlten Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger, die „so schlecht wie in Zeiten großer Krisen“ sei. Um das Vertrauen in den Staat zu stärken, suche man – neben allen digitalen Aktivitäten – den Kontakt mit den Menschen vor Ort. „Wir brauchen weiterhin den Streifenwagen und das Gespräch mit den Bürgern, damit wir auch morgen noch sagen können: Wir leben in einem sehr, sehr sicherem Land.”

Dem anregenden Vortrag folgten viele interessierte Fragen. IHC Präsidiumsmitglied Dr. Harald Schlüter bedankte sich beim Referenten, der zum ersten Mal in Bielefeld zu Gast war, für die umfassenden Informationen. Ein Dank ging zudem an den Gastgeber itelligence.

Nützliche Internetadressen:
Informationsportal Initiative Wirtschaftsschutz
www.wirtschaftsschutz.info
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnikwww.bsi.bund.de
Cybercrime Kompetenzzentrum beim Landeskriminalamt NRW:
https://polizei.nrw/cybercrime
Ansprechpartner für Firmen: Single Point of Contact (SPoC), Tel.: 0211 939-4040,
E-Mail: cybercrime.lka(at)polizei.nrw(dot)de

Text: Annette Meyer zu Bargholz / Fotos: Susanne Freitag

Donnerstag, 21. Februar 2019 20:00 Uhr
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Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes