Erfolgreich durch soziale Nachhaltigkeit
Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde, zumeist geht es dann allerdings um Umwelt- oder Wirtschaftsaspekte. Doch auch im sozialen Bereich ist Nachhaltigkeit gefragt. Wie der Weltkonzern Nestlé sie im Unternehmen umsetzt, berichtete Managerin Béatrice Guillaume-Grabisch in einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung des Industrie- und Handelsclubs IHC OWL.
Béatrice Guillaume-Grabisch leitet seit 2019 die Bereiche Human Resources, Business Services und Informationstechnologie für die 276’000 Mitarbeitenden von Nestlé in 186 Ländern. Die Französin, die ausgezeichnet Deutsch spricht, war eigens aus Vevey, dem Nestlé-Stammsitz am Genfer See nach Bielefeld gereist, um auf Einladung von IHC-Präsident Eduard R. Dörrenberg im Dr. Wolff-Institut zu referieren.
„Soziale Nachhaltigkeit ist ein oft übersehener Aspekt der Nachhaltigkeit. Corona hat diese Dimension wieder in den Mittelpunkt gestellt“, erklärte die Top-Managerin, deren berufliche Stationen über Colgate-Palmolive, Beiersdorf, Johnson & Johnson, L’Oréal und Coca-Cola zu Nestlé führte. Dabei bezog sie sich auf das sogenannte Drei-Säulen-Modell, dass erstmals im Jahr 2002 beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg als Maßstab für Nachhaltigkeit in internationalen Verträgen verwendet wurde. Das Modell unterteilt Nachhaltigkeit in eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension.
In ihrem Vortrag teilte Guillaume-Grabisch die Zeit in eine Vor- und eine Nach-Corona-Periode ein: Vor Corona, so die Expertin, dachten alle, wir wären auf dem guten Weg: Die Arbeitslosigkeit war global auf einem Abwärtstrend, Umweltthemen wurden angegangen, Armut milderte sich und auch die Geschlechtergleichstellung sei auf dem guten Weg, gewesen. Nach Corona hätten sich viele dieser Trends ins Negative gedreht. Allein bei der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen seien durch die Pandemie 20 Jahre verloren gegangen, so Guillaume-Grabisch. Menschen fühlten sich nach Corona unglücklicher und auf politischer Ebene seien Demokratie und Menschenrechte gefährdeter denn je. Corona sei also in jeder Hinsicht ein „Game-Changer“ gewesen.
Trotzdem erkennt die Managerin auch neue, positive Veränderungen: Vor allem die jüngere Generation mobilisiere, solidarisiere und engagiere sich. Die Frage „Was bringt dieses Unternehmen für die Menschheit?“ werde häufiger an Arbeitsgeber gestellt. In der Arbeitswelt habe Corona allgemein zu mehr Flexibilisierung geführt, neue Technologien seien schneller umgesetzt worden. Das habe vor allem auch Frauen neue Chancen geboten, die nun von zuhause aus für Firmen tätig sein könnten.
Wie können Unternehmen diese Entwicklungen im Sinne „Sozialer Nachhaltigkeit“ aufgreifen? Zumal Werte wie Sicherheit, Gesundheit und Wellness, die hinter dem Begriff stehen, für Firmen zahlenmäßig schwer messbar seien. „Man muss seine Ziele in diesem Bereich deshalb immer wieder anpassen und neu ausrichten“, erklärte Guillaume-Grabisch.
Für Nestlé geschehe dies innerhalb eines Sechs-Säulen-Modells, dass alle Bedürfnisse der Mitarbeitenden abdecken soll: Es basiere auf den Bereichen Verdienst, Emotion (z.B. Eingliederung des Einzelnen ins Unternehmen), Bindung (Beziehung zum Unternehmen, Treue), Physische Bedingungen (Umgang mit Stress, Unterstützung), Unternehmenspurpose und Employability (z.B. Fähigkeiten weiterentwickeln). Als Beispiel schilderte sie ein interessantes Projekt, dass aus diesem Gedanken entstanden sei: eine Art interner Projekt-Arbeitsmarkt, den Nestlé zurzeit mit Erfolg in den USA testet. Hierbei können Angestellte einen festgelegten Teil ihrer Arbeitszeit für Aufgaben in anderen Bereichen im Unternehmen einsetzen. Für die Mitarbeiter habe das den Vorteil, dass sie ihre Fähigkeiten weiterentwickeln oder neue Talente bei sich entdecken können. Der Arbeitgeber verhindert auf der anderen Seite, dass seine Mitarbeitenden sich eine neue Stelle außerhalb des Unternehmens suchen.